Wiener Museum erhält Vorlass von Gerhard Rühm  |  | Gerhard Rühm schenkt dem MUMOK seinen bildnerischen Vorlass | |
Der österreichische Künstler, Musiker und Literat Gerhard Rühm schenkt dem Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (MUMOK) einen Großteil seines bildnerischen Vorlasses. Für Rühm, der zu den Mitbegründern der Wiener Gruppe zählt, war die Vorstellung, sein Erbe könne nach seinem Tod „aufgelöst und in alle Welt verstreut“ werden „höchst beunruhigend“ gewesen, so der Künstler in einem Gespräch mit Kuratorin Heike Eipeldauer. Die Kunsthistorikerin hatte bereits 2017 eine Retrospektive zu Rühm im Wiener Kunstforum kuratiert und nun die Aufgabe, das dem MUMOK übereignete Konvolut gemeinsam mit dem Künstler auszuwählen. „In Ergänzung zum musikalischen und literarischen Vorlass, den die Österreichische Nationalbibliothek 2012 erworben hat, ist es damit gelungen, das richtungsweisende Lebenswerk eines der bedeutendsten österreichischen Künstler für die Nachwelt zu sichern“, freut sich MUMOK-Direktorin Karola Kraus.
Gerhard Rühms gattungsüberschreitender, performativer Ansatz, der sich in den frühen 1950er Jahren im spezifischen kulturellen Umfeld der österreichischen Nachkriegsgesellschaft herausbildete, nimmt in Teilen vorweg, was sich in der Kunst Anfang der 1960er Jahre als internationale Tendenz durchsetzte und in Strömungen wie Fluxus, Happening oder Konzeptkunst manifestierte. Das rund 1.500 Werke umfassende Konvolut dokumentiert die Vielfalt des sechs Jahrzehnte umspannenden bildnerischen Schaffens. Es enthält die wichtigsten Beispiele von Rühms „visueller poesie“ sowie von deren musikalischem Pendant, der „visuellen musik“. Eine Auswahl aus Rühms „repräsentationskritischen fotomontagen“ ist ebenso Teil des Konvoluts, darunter das Schlüsselwerk „in memoriam konrad bayer“ von 1964, wie seine automatischen, gestischen und konzeptionellen Zeichnungen, Scherenschnitte, Textobjekte, Tuschmalereien und Vertuschungen.
Gerhard Rühm, 1930 in Wien geboren, studierte an der dortigen Musikakademie Klavier und Komposition. Anfang der 1950er Jahre gelangte er über die Auseinandersetzung mit den Kompositionsprinzipien Anton Weberns zur Konkreten Poesie, indem er Prinzipien der seriellen Musik auf die Dichtung anwandte. Rühms frühe Lautgedichte reduzieren Sprache, gleichsam am Nullpunkt ansetzend, auf ihre elementaren materiellen Bedingungen und beruhen auf einer tiefen Sprachskepsis angesichts ihres Missbrauchs im Nationalsozialismus. Analog zur visuellen Dimension von Sprache setzt sich Rühm mit ihrer auditiven Dimension auseinander und bezieht Sprachklang und Artikulation, darunter auch Atemgeräusche oder Wiener Dialektlaute, bewusst mit ein. Rühms Arbeiten, die vor allem von der Christine König Galerie in Wien vertreten werden, wurden ab 1958 in internationalen Ausstellungen gezeigt, darunter auf der Documenta 6 im Jahr 1977 und fünf Jahre später auf der Documenta 8 sowie zuletzt in großen Retrospektiven in der Neuen Galerie in Graz und im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien. |