Carl Lohses expressionistisches Frühwerk in Ravensburg  |  | Carl Lohse, Susi Große, um 1920 | |
Das Kunstmuseum Ravensburg widmet sich seit dem Wochenende dem Expressionisten Carl Lohse. Im Fokus der Schau steht die frühe kurze Schaffensperiode des 1895 in Hamburg geborenen und 1965 in Bischofswerda verstorbenen Malers. Eine intensive Farbigkeit und eine Überzeichnung der Form bestimmen die Bildsprache des vom Ersten Weltkrieg traumatisierten Künstlers, der erst wieder 2017 mit umfangreichen Ausstellungen gewürdigt wurde. Die rund 40 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen sind Leihgaben aus anderen Häusern wie dem Museum Bautzen, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Kunsthalle Rostock sowie zahlreiche Werke aus Privatsammlungen.
Die kleine sächsische Stadt Bischofswerda, in der sich Carl Lohse nach dem Ersten Weltkrieg niederließ, habe bei ihm einen regelrechten Schaffensrausch entfesselt, so der Kurator Uwe Degreif. Dort entwickelte er zwischen 1919 und 1921 seine charakteristische Malweise. „Impulsiv experimentiert Carl Lohse um 1920 mit den Bildsprachen der Avantgarde-Bewegungen seiner Zeit – Expressionismus, Futurismus, Kubismus und Konstruktivismus – und setzt ungewöhnliche Farbkombinationen und Formreduzierungen ein.“ So verdichten sich in der „Kleinen Stadtansicht“ um 1920 bunte Häuser zu einer Gemeinschaft, zu der eine Hügelwelle weitere Gebäude hinzufügt. Beinahe einem Sog in die Tiefe des Horizonts folgen die roten, gelben und weißen Haus- und Hügelzüge und evozieren eine starke Dynamik.
Die Farbe kommt in den ausdrucksstarken Porträts von Carl Lohse zu ihrer besonderen Stärke. Hier spitzt er Form und Kolorit zu und versucht, seelische Tiefendimensionen einzufangen. So wurde der Künstler 1921 von der Kritik als einer der „vielleicht stärksten und lebendigsten Verkünder der neuen deutschen Kunst“ gefeiert. Sein verzerrtes Bildnis von Susi Große von etwa 1920 verbindet ondulierende Linien des Kopfes und der blonden Frisur. Das Gesicht wird von weißen und rosafarbenen Partien, wie auch durch ornamentalen Gestaltungen der Nase und Brauen in Orange, der Augen in Dunkelblau und Orange sowie einer in Graunuancen gehaltenen Stirn definiert. Ernst blickt die Dame den Betrachter an. Ein Jahr früher bannte Carl Lohse mit Farbflächen in Rot und rosafarbenen Akzenten Ludwig Renn auf die Pappe. Das nach hinten gekämmte Haar in Blau steht in Kontrast zu den dominanten Rottönen, die durch petrolblaue runde Flächen als Augen nochmals gebrochen werden. Sein zeitgleich entstandenes Selbstbildnis aus getöntem Gips präsentiert eine Profilbüste, deren Kopf durch in den Raum ausgreifende Höhlen, Kurven, Hochreliefs und Schatteneffekte tief gefurcht ist.
Obwohl sein Talent früh von Alfred Lichtwark, dem damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, erkannt und gefördert wurde und trotz fulminanter Rezensionen seiner ersten Einzelausstellung 1921 bei dem Dresdner Galeristen Emil Richter blieben Verkäufe aus. Enttäuscht brach Carl Lohse daraufhin sein Schaffen ab, kehrte nach Hamburg zurück, schloss sich den Zeugen Jehovas an und arbeitete als Bankbote und Straßenbahnschaffner. Erst mit seiner Rückkehr nach Bischofswerda im Jahr 1928 nahm Lohse sein künstlerisches Schaffen wieder auf. Auch wenn er seine kräftigen Farben beibehielt, mäßigte Carl Lohse dann aber seinen Stil.
Die Ausstellung „Carl Lohse. Ein Maler des Expressionismus“ läuft bis zum 5. März 2023. Das Kunstmuseum Ravensburg hat dienstags von 14 bis 18 Uhr, mittwochs bis sonntags von 11 bis 18 Uhr und donnerstags bis 19 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt an Heiligabend geschlossen. Zu Silvester ist das Museum von 11 bis 16 Uhr und zu Neujahr von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Jugendliche bis 18 Jahre erhalten freien Eintritt. Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.
Kunstmuseum Ravensburg
Burgstraße 9
D-88212 Ravensburg
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