Münchner Nationalmuseum entdeckt Renaissance-Büste  |  | Simone Bianco, Büste einer Römerin, um 1520/40 | |
Die Depots des Bayerischen Nationalmuseums in München sind gut bestückt. Dort ist vor kurzem Jens Ludwig Burk auf eine Büste gestoßen, die ihn trotz teils fehlender Nasenspitze mit ihrer Qualität überzeugte. Nach eingehenden Untersuchungen konnte der Kurator für die Bildwerke des 16. bis 18. Jahrhunderts die Marmorskulptur dem venezianischen Renaissance-Bildhauer Simone Bianco zuweisen. Dafür sprechen laut Burk die klassischen Züge, der beseelte Gesichtsausdruck und die äußerst raffinierte Frisur. Inzwischen wurde die Nasenspitze in den hauseigenen Werkstätten ergänzt und die Arbeit gereinigt, so dass sich die antike Schönheit in frischem strahlendem Weiß präsentiert.
Von Simone Bianco ist wenig überliefert. Zur Welt kam er Ende des 15. Jahrhunderts in der Nähe von Arezzo und war von 1512 bis etwa 1553 in Venedig tätig. Der schon vom Künstlerbiografen Giorgio Vasari im 16. Jahrhundert gerühmte Bildhauer orientierte sich an der Antike, entwickelte aber eine individuelle Handschrift. Neben Bildnissen von Zeitgenossen schuf Bianco vor allem Idealporträts schöner junger Frauen, zu denen die Münchner Skulptur gehört. In ihrer künstlerischen Auffassung korrespondieren Biancos Büsten mit den Gemälden berühmter venezianischer Maler wie Giovanni Bellini, Tizian und Jacopo Negretti, die sich ebenfalls einer an der Antike geschulten idealisierenden Kunst verschrieben hatten.
Heute sind nur rund ein Dutzend Bildwerke aus seiner Hand bekannt, unter anderem im Pariser Louvre, im Kunsthistorischen Museum in Wien und im Berliner Bode-Museum. Burks Forschungen zufolge gelangte die Büste im Bayerischen Nationalmuseum schon im 16. Jahrhundert in den Besitz des Münchner Hofes, wie eine sorgfältige Beschreibung des wertvollen Stücks im Inventar der herzoglichen Kunstkammer von 1598 belegt. Auch auf dem Kunstmarkt tauchen die Arbeiten Simone Biancos selten auf. Zuletzt konnte Sotheby’s im Januar 2020 eine vergleichbare, nicht ganz so gut erhaltene Frauenbüste zum Spitzenpreis von 80.000 US-Dollar verkaufen. |