Protest gegen die Kunsthalle Berlin weitet sich aus  |  | Mit einer Ausstellung zu Bernar Venet wurde Ende Januar die „Kunsthalle Berlin“ im Flughafen Tempelhof eröffnet | |
Die Kritik an der „Kunsthalle Berlin“, die sich für zwei Jahre im ehemaligen Flughafen Tempelhof eingemietet hat und laut Medienberichten mit bis zu je 100.000 Euro monatlich von öffentlicher Seite unterstützt wird, äußert sich immer lauter. Vor allem von Seite der Künstlerschaft bläst der Bonner „Stiftung für Kunst und Kultur e.V.“, die hinter der Kunsthalle steht, und ihrem Vorsitzenden Walter Smerling, aber auch der Berliner Politik ein kühler Wind entgegen. Nun haben die Künstlerin Hito Steyerl, ihr Kollege Clemens von Wedemeyer sowie der Kunstkritiker und UdK-Professor Jörg Heiser einen Protestbrief verfasst und an die Verantwortlichen in der Berliner, aber auch der bundesdeutschen Politik, unter anderem an Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, gerichtet. Darin machen sie auf die „Gefährlichkeit des Systems Smerling“ aufmerksam und schreiben: „Wir sind alarmiert davon, dass die Stadt Berlin bzw. deren Funktionsträger sich ohne Not mit der räumlichen und finanziellen Unterstützung einer sogenannten ‚Kunsthalle Berlin‘ von privaten Vereinen, Unternehmen und Personen rund um den ‚Kulturmanager‘ Walter Smerling haben instrumentalisieren lassen.“
Dem „System Smerling“ werfen sie dabei eine profitable Kurzschaltung von Kunst, Politik und Wirtschaft mit oft fragwürdigen Sponsoren vor. Die Kunst werde dabei instrumentalisiert, um öffentliche Gelder in private Anlässe für das Networking von Unternehmern und Politikern umzumünzen und gleichzeitig Reputationswäsche dubioser Firmengeflechte aus der Rüstungs-, Immobilien-, oder Öl- und Gasbranche zu betrieben. Dabei gehen die Verfasser*innen direkt auf den derzeit schwelenden Russland-Ukraine-Konflikt ein. Denn Smerling habe Wladimir Putin zum Schirmherr seiner aktuell in Moskau präsentierten Ausstellung „Diversity United“ gemacht und das designierte Gazprom-Aufsichtsratsmitglied Gerhard Schröder zum Hauptredner beim Firmen-Neujahrsempfang seines Hauptsponsors, des Bauunternehmers Christoph Gröner. In Berlin habe man sich nun leichtgläubig bis verantwortungslos vor den Karren spannen lassen. „Gentrifizierung, Kunst- und Diversitätswashing, die Aufwertung von Öl- und Gaskonzernen, Rüstungsbetrieben und Briefkastenfirmen, unterstützt durch Industrielobbyisten, Kunstspekulanten und konservative Männerbünde: Das ist verkürzt die Methode Smerling – auf Kosten von zivilgesellschaftlichen und demokratischen Spielregeln“, heißt es weiter.
In ihrem öffentlichen Brief, der inzwischen von rund 400 gleichgesinnten Künstler*innen, Kurator*innen, Kulturwissenschaftler*innen, Journalist*innen und Galerist*innen unterstützt wird, fordern sie, die Vergabe der Räume an die Betreiber der „Kunsthalle Berlin“ sofort zu beenden und deren Bezuschussung aus öffentlichen Mitteln einzustellen. Im Fall der Causa Smerling sei jedoch zusätzlich auch eine juristische und politische Aufarbeitung nötig: „Es geht um Steuergelder, öffentliches Eigentum und den politischen Auftrag. Ist eine Vergabe landeseigener Immobilien durch einen scheidenden Regierenden Bürgermeister nach Gutsherrenart, abgesegnet von einer in Verantwortung und Auftrag der Berliner Stadtregierung eingesetzten Projekt-GmbH, überhaupt legal?“ Unterdessen hat Walter Smerling seine Gesprächsbereitschaft bekundet und will sich mit seinen Kritikern aus der Berliner Kunstszene über die Möglichkeiten der Kunsthalle im Tempelhof unterreden.
Der vollständige Brief ist unter e-flux abrufbar: |