 |  | Rudolf Leopold vor einem Klimt-Bild seiner Sammlung | |
Die Sammler vom alten Schlage, die, als Ärzte, Kaufleute oder Unternehmer groß geworden, erst mit der Kunst ihrer wahren Leidenschaft frönten und als Mäzene der Moderne Bleibendes schufen, werden immer weniger. Ernst Beyeler, der große Schweizer Kunstsammler und Museumsgründer, starb im Februar fast neunzigjährig, der gleichaltrige Hans Dichand, mit seinem Interesse für Kunst vielleicht nicht ganz so berühmt-berüchtigt geworden wie als Zeitungsmann, segnete vor zwei Wochen das Zeitliche, und heute, am 29. Juni, folgte Rudolf Leopold nach. Der Wiener Mediziner hatte erst im vergangenen März seinen 85. Geburtstag gefeiert. Die Reaktionen sind entsprechend bestürzt: „Österreich verliert mit Rudolf Leopold eine herausragende Persönlichkeit der Kunstszene“, ließ etwa der österreichische Außenminister Michael Spindelegger verlauten.
Früh, schon während seines Studiums, begann der 1953 zum Doktor der gesamten Heilkunde promovierte Leopold, sich mit der Kunst der Alten Meister und des 19. Jahrhunderts zu beschäftigen, bevor er sich mit voller Begeisterung der österreichischen Moderne zuwandte. Er erst war es eigentlich, der den 1918 jung verstorbenen Egon Schiele nachträglich zu einem der größten Stars des europäischen Expressionismus kürte und die Preise für die zahlreichen Gemälde und vor allem Zeichnungen in die Höhe trieb, auf der sie bis heute verharren. Rudolf Leopold selbst konnte die in der Nachkriegszeit wenig geschätzten Blätter Schieles noch für wenige hundert Schilling erwerben. Schon 1955 organisierte er in Amsterdam eine Ausstellung der modernen Kunst aus der Alpenrepublik, es folgten Schauen unter anderem in New York und London. Leopolds Interesse an Schiele ging so weit, dass er 1972 eine Werkmonografie veröffentlichte, die auch wissenschaftlichen Standards Genüge tut, und 1989 bis 1991 eine weitere Schiele-Ausstellung um die Welt schickte.
Sein größter Coup gelang dem in der internationalen Kunst- und Sammlerszene inzwischen arrivierten Leopold 1994, indem er mit Hilfe der Republik Österreich und der Oesterreichischen Nationalbank seine Sammlung in die Leopold Museum-Privatstiftung überführte. Leopold erhielt mit 2,2 Milliarden Schilling, umgerechnet heute rund 160 Millionen Euro, etwa ein Drittel des Schätzwertes und wurde zum Ausgleich als Museumsdirektor auf Lebenszeit eingesetzt. Die Bemühungen gipfelten 2001 in der Eröffnung des Leopold Museums im Wiener Museumsquartier. Mit fast fünftausend Kunstwerken ist die nunmehr dauerhaft präsente und gesicherte Sammlung die größte und bedeutendste Privatsammlung in Österreich.
Doch damit begannen auch die Probleme. Nicht nur das präsidiale Gebaren des unumschränkten Kunstkönigs in seinem Haus sorgte gelegentlich für Reibereien, wobei sicher viel Neid und Missgunst im Spiel war. Vor allem eine Kette von Raubkunstfällen, die Rudolf Leopold mit gelegentlich zu deutlich zur Schau getragener Resistenz, fast Desinteresse herunterzubügeln versuchte, sorgte in den vergangenen Jahren permanent für negative Publicity. Vielfach wurde ihm unsensibler Umgang mit der Vergangenheit vorgeworfen, eine ehrliche Auseinandersetzung habe er verwehrt. Indes wurde er damit nur Teil einer Restitutionspraxis, die inzwischen zum guten Geschäft geworden ist. Jedenfalls musste Leopolds Sammlung einige Federn lassen, darunter zentrale Werke seines Lieblings Egon Schiele. Bis heute dauert die Provenienzforschung an.
Gedenken muss man eines Kunstsammlers, der mit sicherem Gespür für Qualitäten einen herausragenden Querschnitt durch die österreichische Moderne zusammengetragen hat, ohne freilich die Gegenwartskunst ganz zu vernachlässigen. Zahlreiche Ausstellungen, auch über das Schaffen wenig genannter Künstler oder entlegener Regionen, zeugen davon. Gedanken muss man sich aber auch über die Nachfolge Leopolds machen. Bereits am morgigen Mittwoch wird der Stiftungsvorstand, bestehend aus drei „Leopoldinern“, darunter Rudolfs Sohn Diethard Leopold, und vier Vertretern des Bundes, zusammentreten. Über die Nachfolge soll dann in den kommenden Wochen beraten werden. |