 |  | La Punta della Dogana a Venezia | |
Wem ist es nicht schon einmal so ergangen? Man wandelt durch die heiligen Hallen eines großen Museums mit alter Tradition, lässt sich von der umfassenden Sammlung alter Meister beeindrucken, wohlwissend dass sich der goldene Reigen weltweit bekannter Meisterwerke in dieser Fülle nur im Museum bewundern lässt. Und plötzlich steht man vor ihm, dem wunderschönen Landschaftsbild von Jacob van Ruisdael oder der einnehmenden Vedute von Francesco Guardi, die sich daheim über dem Kamin so gut machen würden.
Am liebsten würde man es von der Wand pflücken und zur Kasse am Eingang schleppen, um es nach angemessener Bezahlung für den Hausgebrauch einpacken zu lassen. Doch leider – man sieht es ja auch ein – geht das nicht, und deswegen zieht man traurig kopfschüttelnd von dannen.
Anders wird es einem ergehen, wenn sich am 4. Oktober das Wiener Dorotheum zu seiner Auktion „Alte Meister“ in ein Museum „temporärer“ Natur verwandelt. 600 Gemälde, die sowohl die italienische Malerei, die Malerei der deutschen und österreichischen Gotik sowie die niederländische und flämische Malerei abdecken, und ein vielfältiges Themenspektrum vom einfachen Blumenstillleben bis hin zu fünfflügeligen, goldverzierten Altarwerken entfalten, lassen museale Gefühle aufkommen. Und das schönste ist: Wer genug Geld hat, kann sich die Kunst kaufen.
Die 1937. Kunstauktion im Palais Dorotheum beginnt um 10:30 Uhr vormittags im Ludwigstorff-Saal und wird um 15:30 Uhr in einem zweiten Abschnitt fortgesetzt. Namen wie Paul Troger, Jan van Goyen, Salvator Rosa, Jan Brueghel der Jüngere, Franz Anton Kern, Jacob Jordaens, Jan Massys oder Antonio Belucci lassen Sammlerherzen höher schlagen.
Die italienische Malerei wird beispielsweise durch Bilder wie Francesco Guardis „La Punta della Dogana a Venezia“ aus der ersten Hälfte der 1760er Jahre repräsentiert, das als vollkommen eigenhändiges Werk des Künstlers gilt und Gondeln auf der Einfahrt zur Canal Grande zeigt, die in „malerischem Gedränge“ auf den Wellen schaukeln (Schätzpreis auf Anfrage). Rund 50 Jahre früher entstand eine Ruinendarstellung mit Figuren von Giovanni Paolo Panini, das in erster Linie aufgrund seiner Licht- und Schattenbehandlung bemerkenswert ist und auf 900.000 bis 1.200.000 Schilling geschätzt wird.
Weitere Lose der italienischen Barockmalerei wären Salvator Rosas „Felsige Landschaft mit Fischern“, die für 300.000 bis 350.000 Schilling verkauft werden soll, oder Antonio Belluccis „Krönung Mariens“ für die Linzer Ursulinenkirche, deren Preiserwartung 150.000 bis 200.000 Schilling beträgt. Wem Landschaften oder religiöse Kunst weniger zusagen, bieten die Italiener durchaus Alternativen. So kommen auch Porträts zum Angebot, wie zum Beispiel das „Bildnis eines Knaben“ von Domenico Tintoretto, das im originalen, vergoldeten, italienischen Rahmen des 16. Jahrhundert angeboten wird und zwischen 700.000 und 900.000 Schilling kosten soll. Verspielter als ein gewöhnliches Porträt ist natürlich ein Capriccio, das dem Mailänder Künstlers Giuseppe Arcimboldo zugeschrieben wird. In der für den Künstler typischen Darstellung, an die ebenfalls eine Preisvorstellung von 700.000 bis 900.000 Schilling geknüpft wird, fügen sich unterschiedlichste Obst- und Gemüsesorten zu dem schrulligen Bildnis eines bärtigen Mannes, einer Allegorie des Winters, zusammen.
An der Spitze des Angebots an niederländischer und flämischer Malerei steht Jan van Goyen mit seinem Frühwerk „Dorf an einem Fluss“, das mit 900.000 bis 1.200.000 Schilling bewertet wird, und dem reifen Werk „Flusslandschaft mit Fischern und Dorf“, das sogar 2.000.000 bis 2.500.000 Schilling einbringen soll. Das Angebot an Landschaften ist abwechslungsreich. Jacob van Ruisdaels „Dünen mit einem Dorf“, das um 1700 entstanden ist und auf 900.000 bis 1.200.000 Schilling dotiert wird, fasziniert aufgrund der bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten, wild wuchernden Natur, in der sich der Mensch wie eine kleine Ameise ausnimmt.
Pauwels Franck, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts arbeitete und sich in Venedig Paolo Fiammingo nannte, legte in seiner „Hirschjagd“ auf die Darstellung der Landschaft weniger Gewicht und betonte vielmehr die Aktion der an der Jagd beteiligten Menschen und Tiere. Das Bild, das für 700.000 bis 900.000 Schilling unter den Hammer kommen wird, erinnert besonders im Aufbau der Landschaft an ähnliche Gemälde Tintorettos, mit dem Fiammingo in Venedig zusammenarbeitete. Was für Fiammingos „Hirschjagd“ gilt, das gilt in noch gesteigertem Maße für Gonzales Franciscus Casteels „Befreiungsschlacht von Gran in Ungarn“, die für 500.000 bis 800.000 Schilling ausgerufen wird. Hier ist die „Aktion“ zum eigentlichen Bildthema geworden, weder die Landschaft noch die einzelne Figur sind der maßgebliche Bedeutungsträger. Wichtig war dem Künstler vielmehr das wogende Hin und Her des Schlachtengetümmels, in dem 1683 das Wien belagernde osmanische Heer geschlagen worden war.
Wer nicht gerade durch historische Vorlieben zur Kunst getrieben wird, mag aber auch an dem auf 800.000 bis 1.000.000 Schilling geschätzten Blumenstillleben von Abramo Brueghels, dem Sohn von Jan Brueghel dem Jüngeren, Gefallen finden. Ein wenig derb, aber nichtsdestoweniger amüsant ist Jacob Jordaens „Volksliebschaft“, das noch 1993 in der Ausstellung „Von Brueghel bis Rubens – das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei“ im Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehen war und nun für 800.000 bis 1.200.000 Schilling angeboten wird.
Im Bereich der österreichischen Barockmalerei sind Gemälde wie „Volksfest in einer Landschaft“ oder „Aufführung einer Stehgreifkomödie“ von Franz de Paula Ferg, die auf jeweils 270.000 bis 350.000 Schilling geschätzt werden, sowie einem Modello einer „Kreuzigung“ von Paul Troger, die etwa 200.000 bis 300.000 Schilling kosten wird, zu erwerben.
Während der Auktion wird also sicherlich mehr als einmal die Versuchung bestehen, sich persönlich mit Kunst alter Meister einzudecken. Aber, Hand auf’ s Herz, eigentlich ist es doch ganz gut, dass nicht alle Kunstwerke in Privatbesitz verschwinden, sondern im Museum jederzeit frei zugänglich sind. Hier bietet sich die Gelegenheit für eine gute Tat. Eines der Highlights der Auktion ist das Tafelbild „Die Anbetung der Könige“ des Meisters vom Mondsee vom Ende des 15. Jahrhunderts. Zu diesem Tafelbild existiert ein Gegenstück, das sich in der „Österreichischen Galerie“ in Wien befindet. Verständlicherweise ist das Museum daran interessiert, die beiden Bilder in ihren Räumlichkeiten zu vereinen. Jedoch fehlt es dem Museum an den finanziellen Möglichkeiten – der Schätzpreis beträgt 1.600.000 bis 1.900.000 Schilling. Sponsoren werden also dringend gesucht – es wäre schön, wenn sich ein Kunstfreund berufen fühlte.
Bis zum 4. Oktober sollte man die Möglichkeit zur Vorbesichtigung des Angebots wahrnehmen. Die Öffnungszeiten sind von 10 bis 18 Uhr, am Samstag von 9 bis 17 Uhr und am Sonntag von 10 bis 17 Uhr.
Palais Dorotheum
Dorotheergasse 17
A-1010 Wien
Telefon: +43 (1) 51 56 00
Telefax: +43 (1) 51 56 04 61 |